Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung
Gedenkbuch Seiten 249 - 251
Sammellager Dellmensingen
ROLF
EMMERICH
Sofie Henle, geb. am 26.12.1856 in Laupheim, gest. am 27.7.1942 im Sammellager in Dellmensingen.
Im hohen
Alter wurde
sie
aus
Neu-Ulm in
das Pflegeheim Heggbach
und von
dort 1941
in
das
jüdische
Altersheim im
ehemaligen
Rabbinatshaus
Laupheim
gebracht.
Offenbar
wurde
sie
Anfang
1942
weiter
in
das
Sammellager
im
ehemaligen Schloss
Dellmensingen
verlegt.
Dieses
musste vorher
von
der
Israelitischen
Religionsgemeinschaft Württemberg
angemietet
werden.
Es
war
zur
Belegung
mit 120
Personen
aus
ganz Württemberg
geplant;
in
der
Praxis
wurde
es
ein
überbelegtes
Durchgangslager
für die
Konzentrationslager
mit
miserablen hygienischen
Bedingungen.
Essen gab
es
nur
in
geringer
Qualität
und
Menge;
ärztliche
Versorgung
überhaupt
nicht.
Sofie Henle
starb am
27.
Juli 1942
in
Dellmensingen
und wurde
auf dem
jüdischen
Friedhof
in
Laupheim beerdigt
(Grab S
30/6).
Sie entging
damit knapp
der letzten
Laupheimer Deportation
vom 19.
August
1942.
Die
Fotomontage
von 1890
zeigt die
Geschwister
Henle, teils
mit Ehepartnern sowie
Großeltern und
Eltern.
Der Bruder
Moritz
Henle,
Kantor und
Komponist in
Hamburg,
hat das
Bild
herstellen
und sich am
rechten
Bildrand mit
seiner
Frau
Lina
Franziska
und ihren
Kindern Alwin
und
Paul
darstellen lassen.
Sofie Henle, zwölfte von rechts (links, am Tischchen der Vierergruppe in der Bildmitte), lebte zu jener Zeit noch mit den Eltern in Laupheim. Die übrigen Geschwister waren da bereits überwiegend in den USA, aber auch in Stuttgart, Nürnberg und in Ulm/Neu-Ulm wohnhaft.
Schloss
Dellmensingen: ein vergessener
Tatort
des NS-Rassenwahns.
(Foto:
K.
Neidlinger)
Schloss
Dellmensingen:
ein
vergessener
Tatort
des
NS-Rassenwahns
Das heute
leer
stehende, sehr
restaurierungsbedürftig
wirkende Schloss Dellmensingen
wurde von
1942 bis
1945 für
rassenpolitische
Ziele des
NS-Staats
genutzt.
Im
Februar
1942 wurde
dort ein
jüdisches
Zwangsaltenheim
eingerichtet, in dem rund
120
vorwiegend
ältere jüdische
Bürger aus
ganz
Württemberg
zwangseinquartiert
wurden. Der
Staat
hatte diesen
Menschen ihre
Wohnungen
weggenommen und sie in
öfters wechselnden
Sammelunterkünften
untergebracht. Ihre Spuren
sollten verwischt
und ihre
letzte
Fahrt
in die
Vernichtungslager
im Osten
getarnt
werden.
Das jüdische Zwangsaltenheim Dellmensingen bestand nur sechs Monate lang: Am 19. August 1942 wurden die noch verbliebenen 101 Bewohner nach Stuttgart gebracht, in ein Sammellager auf dem Killesberg, und von dort drei Tage später in das KZ Theresienstadt. Schon zuvor waren drei Altersheim-Bewohner in das KZ Izbica in Polen und zwei weitere nach Auschritz verschleppt worden. Nur vier Personen überlebten.
Während ihres
Aufenthalts
in
Dellmensingen verstarben
17 Personen.
Sie wurden auf dem
jüdischen
Friedhof
in
Laupheim
beigesetzt, erhielten dort
aber
erst nach dem
Krieg
einen
Grabstein. Unter
diesen ist
auch
Sophie
Henle: Sie
führte
diese letzte Reise
als einzige wieder
an ihren Geburtsort
Laupheim
zurück.
Danach wurde das wieder leer stehende Schloss Dellmensingen ab Herbst 1942 mit 23 slowenischen Familien belegt, die von der SS als „eindeutschungsfähig“ eingestuft worden waren. Die Kinder erhielten zunächst einen Deutschkurs und wurden dann in der Volksschule Dellmensingen mit unterrichtet, die Väter arbeiteten zumeist bei Magirus in Ulm. Da auch sie nicht freiwillig hier waren, sondern aus rassenpolitischen Gründen verschleppt worden waren, gingen alle im Juli 1945 wieder in ihre Heimat zurück. (Quelle: Dorfchronik Dellmensingen)
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