voriges Kapitel

zurück zur Gesamtauswahl

nächstes Kapitel

Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

 Gedenkbuch Seiten 136 -140

DWORZAN, Emil, 

Biberacher Straße 6

 

ROBERT  Eß

Emil (Elias) Dworzan, geb. 1. Januar 1856, gest. 28 September 1931, OO Rosa, geb. Schloß, geb. 19. März 1860, gest. 24. Juli 1932,
 Else, geb. 27. September 1886 in Posen,
 Dorothea, geb. 9. April 1888 in Posen,
 Hermann Julius, geb.14. April 1890 in Posen, gest. 8. März 1929 in Stuttgart,
 Max Jesaias, geb. 25. Januar 1892 in Laupheim,
 Alwine, geb. 26. Mai 1896 in Laupheim, gest. 1961 in Amerika.

Emil Dworzan zog 1890 als 34jähriger mit seiner Gattin Rosa und drei Kindern von Posen (Westpreußen) nach Laupheim. Er war der Sohn von Jesaias und Rachel Dworzan. Er diente der Laupheimer Gemeinde 41 Jahre lang als Kantor und Vorsänger und gründete den gemischten Synagogenchor Frohsinn“. Er starb 1931 im 74. Lebensjahr, etwa ein halbes Jahr nach dem Rabbiner Dr. Leopold Treitel. Auf seinem Grabstein (N 26/5) stehen die Worte: „Er hat das Rechte getan und Liebe geübt.“1)

 

 Dirigent Emil Dworzan (1. Reihe, Mitte) im Kreise seiner Concordia-Sänger

(Foto: Bilderkammer Museum)

Emil Dworzan war mit Rosa geb. Schloß verheiratet. Sie war die Tochter von Heinemann und Nacha (?) Schloß. In ihrem Nachruf heißt es: „Mit ihr schied eine echtjüdische fromme Frau, deren Gottvertrauen auch durch schweres Leid nie gebeugt werden konnte.“2)

Die Familie wohnte in der Biberacher Straße 6 zur  Miete, über dem Gasthof „Zur Germania“. Emil Dworzan war nebenbei auch noch Chordirektor des Männergesangvereins Concordia Laupheim.

Unter anderem organisierte er zum Beispiel, am 2. Februar 1924 ein Konzert im katholischen Vereinshaus zu Gunsten der Kinderspeisung, an dem auch Seine Durchlaucht Fürst Wilhelm von Urach und Graf von Württemberg als Bariton mitwirkte. Begleitet wurde das Konzert von der Stadtkapelle Laupheim unter der Leitung von Musikdirektor Laub.

Nach Aussage von Herrn Rolf Emmerich gibt es noch 35 historische Tonaufnahmen aus dem Gottesdienst der Laupheimer Synagoge aus dem Jahre 1920.

„Hollywood-Pionier Carl Laemmle  fuhr dazu mit dem Laupheimer  Gerbermeister und Gemeindevorsteher  Simon L. Steiner und dem Kantor Emil Dworzan zu Tonaufnahmen nach Berlin in ein Tonstudio. Mit Simon L. Steiner an der Orgel und dem Kantor Emil Dworzan wurden dort 35 Gesänge aus der Laupheimer Synagoge aufgezeichnet; jedes Lied auf eigener Tonträgerplatte.“3)
Aus dem Laupheimer Verkündiger“

 

Klicken Sie auf das Grammophon

 

Emil Dworzan förderte auch junge Talente. So wurde durch seine Vermittlung und mit Unterstützung von Schlossgutbesitzer Steiner dem jungen Georg Gut (Sohn von Schuhmachermeister Joseph Gut, wohnhaft auf dem Judenberg) ein Stipendium für ein Gesangsstudium von König Wilhelm II. von Württemberg gewährt.4) Im August 1923 trat Emil Dworzan als Vorsänger in den Ruhestand. Nachfolger wurde Wilhelm Kahn, der Vorsänger in Lehrensteinsfeld-Affaltrach war.

 

Anzeige aus dem Laupheimer Verkündiger“


    

Dorchen und Else Dworzan  (jeweils Bildmitte) als Grundschülerinnen der israelitischen

Volksschule Laupheim, 1895.  (Foto: Leo-Baeck-Institut, NY)

 

       

Alwine Dworzan als Schülerin: im Jahr 1910 als Latein- und Realschülerin, im Jahr

1913 als Teilnehmerin der sonntäglichen Frauenarbeitsschule (Bildmitte).

(Fotos: J. Braun, Alt-Laupheimer Bilderbogen, K. Neidlinger, 100 Jahre Realschule )

 

Die Kinder:

Else, geboren am 27. September 1886 in Posen. Sie vermählte sich Anfang Juli 1928 mit Kuno Kocherthalter aus Madrid, wo die Familie dann vermutlich auch wohnte.

Dorothea, geboren am 9. April 1888 in Posen. Dorothea war ledig und wohnte später in der König-Wilhelm-Straße  24, heute Architekturbüro Mann. Am 1. Februar 1933 emigrierte sie nach Madrid, wahrscheinlich weil ihre ältere Schwester sich schon dort befand.

Hermann Julius, geboren am 14. April 1890 in Posen. Er war Arzt und rückte am 20. August 1914 beim Ersatzbataillon J. R. 125 in Stuttgart ein. Bis zu seiner Entlassung am 30. November 1918 war er als Unterarzt und später als Hilfsarzt bei den Flandernschlachten 1914/15, in der Champagne und bei Verdun im Einsatz. Er erhielt die Württembergische Tapferkeitsmedaille und das EK II. 5)

Max Jesaias, geboren am 25. Januar 1892 in Laupheim, studierte in Tübingen und promovierte 1921 zum Dr. med. Am 8. Dezember 1924 heiratete er in Stuttgart Else Henle. Die Hochzeitsfeier fand im Bahnhofsturm statt.

Auch Max meldete sich am 1. November 1914 als Kriegsfreiwilliger und nahm als Feldhilfsarzt an den Vogesenkämpfen und später an den Schlachten in Russland und der Ukraine teil. Während seiner Erkrankung an Flecktyphus war er sogar noch am 24. Dezember 1918 im Feld. Auch er erhielt die Württembergische Tapferkeitsmedaille und das EK II. 6)

Am 11. Juni des Jahres 1923 gab Max Dworzan im Laupheimer Verkündiger“ bekannt:

„Nach mehrjähriger Ausbildung bei Dr. E. Krauss  (Innere Abteilung des Ver- sorgungskrankenhauses Stuttgart) sowie bei Geheimrat Prof. Dr. H. Strauss, Berlin, und bei Dr. Elsner und Dr. Urg, Leiter der ehemaligen Boas’schen Klinik in Berlin, habe ich mich in Stuttgart als Facharzt für Magen- und Darmkrankheiten (Röntgenlaboratorium) niedergelassen.“

Seine Praxis befand
sich in der Kriegbergstraße 27. Max Dworzan konnte jedoch seinen Beruf als Facharzt für Magen- und Darmleiden nur wenige Jahre ausüben. Nach kurzer schwerer Krankheit starb er am 7. März 1929 im 36. Lebensjahr. Er wurde auf dem israelitischen Teil des Pragfriedhofs in Stuttgart begraben. Sein Grabstein (Nr. 2817) ist heute verwittert und nicht mehr zu lesen.7)

Alwine, geboren am 26. Mai 1896 in Laupheim, besuchte nach der Grundschule als eines der ersten Mädchen die Laupheimer Latein- und Realschule, was erst seit dem Jahr 1906 möglich war. Sie emigrierte am 1. März 1933 zunächst nach England, dann in die USA, nach Orson, und starb dort 1961. Auf dem Grabstein ihrer Eltern auf dem Laupheimer Friedhof ist sie namentlich erwähnt. Ob sie im Grab ihrer Eltern auch begraben ist oder ihrer hier nur gedacht wird, lässt sich aus der Grabinschrift aber nicht entnehmen.8)






Das Grab der Familie Dworzan mit der Widmung für die Tochter Alwine.

(Foto: K. Neidlinger)

    

Quellen:

1) Nathanja Hüttenmeister: Der Jüdische Friedhof Laupheim S. 506.

2) GIGW 20/1933, S. 223.

3) Laupheimer Verkündiger.

4) Braun: Altlaupheimer Bilderbogen Bd. II S. 177.

5) HdG A-2003/0084/49.

6) HdG A-2003/0084/48.

7) Nathania Hüttenmeister: Der Jüdische Friedhof Laupheim S. 506.

8) ebenda S. 506

 

voriges Kapitel

zurück zur Gesamtauswahl

nächstes Kapitel